Selbstverteidigung und Kampfsport
Author
Aaron
Published
Jan 10, 2024
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Kampfsporttraining kann je nach dem wie es praktiziert wird, in einer Selbstverteidigungssituation hilfreich oder hinderlich sein. Erfahre hier welche Faktoren bestimmen ob Kampfsporttraining unsere persönliche Sicherheit verbessert, aber auch welche sie drastisch herabsetzt.
In diesem Artikel möchte ich mich mit folgenden Fragen beschäftigen:
- Welchen Platz hat Kampfsport im Bereich Eigenschutz?
- ist Kampfsporttraining für die eigene Verteidigung wirklich hilfreich?
Anmerkung: da Kampfsport eine gigantische Bandbreite an verschiedenen Stilen und Systemen umfasst, die zum Teil sehr unterschiedlich sind, habe ich mich hier in diesem Artikel dazu entschieden unter dem Überbegriff Kampfsport alle Kampfsportarten, die mit einem intensiven Vollkontakt praktiziert werden können, zusammenzufassen. Beispiele: Boxen, Muay Thai, MMA, BJJ, Judo, Ringen, etc.
Kampfsport kann aus den verschiedensten Gründen her praktiziert werden. Viele sehen Kampfsport zurecht als ein exzellentes Fitness- und Athletik-Training (besonders Ausdauer und Koordination), andere wissen den Aspekt des Stressabbaus sehr zu schätzen, die meisten Kampfsportler freuen sich über die regelmäßige Abwechslung im Training.
Es gibt auch Leute, die angeben Kampfsport (zum Beispiel Boxen) zu trainieren, um sich in einer Konfrontation verteidigen zu können.
Da ich sowohl Kampfsporttraining, als auch spezialisierte Kurse zum Thema Selbstschutz anbiete, möchte ich das Thema Effektivität von Kampfsportarten für die Selbstverteidigung differenzierter betrachten.
Kampfsporttraining kann je nachdem wie es praktiziert wird, in einer Selbstverteidigungssituation hilfreich oder hinderlich sein. Erfahre hier, welche Faktoren bestimmen, ob Kampfsporttraining unsere persönliche Sicherheit verbessert, aber auch welche sie drastisch herabsetzt.
Zuerst möchte ich die Aspekte nennen, die aufzeigen, dass ein reines Kampfsporttraining unzureichend für die eigene Sicherheit ist.
Im Kampfsport gibt es ein klares Regelwerk, welches "gefährliche" Techniken wie Fingerstiche zu den Augen, Schläge in die Genitalien, etc. verbietet. Oftmals sind es genau diese Techniken, die in einer Notwehr-Situation tatsächlich am effektivsten sind, um einen Angriff eines uns körperlich überlegenen Angreifers abwehren zu können. Meist wird im Kampfsport auch eine Schutzausrüstung verwendet, die es in einer Konfrontation auf der Straße nicht gibt. Ein Ringrichter sorgt für das Einhalten der Regeln und achtet auf die "Sportlichkeit" und Fairness unter den Kontrahenten. Eine ärztliche Aufsicht ist auch gegeben und sorgt für eine gewisse Sicherheit durch schnelle medizinische Versorgung. Bereits vor dem Kampf ist das Geschlechter-, Größen- und Gewichtsverhältnis geregelt und vereinbart. Die beiden Kontrahenten haben eine ausreichende Vorbereitungszeit und können während des Kampfes auf die Unterstützung ihres Coaches zählen.
Dem gegenüber gibt es bei einem Übergriff/ Angriff, der meist unvorbereitet stattfindet, keine Regeln. Es kann ein starkes Missverhältnis von körperlichen Kraftverhältnissen vorliegen (z.B. ein männlicher Angreifer attackiert eine Frau). Es können Waffen oder improvisierte Alltagsgegenstände zum Einsatz kommen. Auch können unerwarteterweise mehrere Angreifer auf einen losgehen. Die örtlichen Gegebenheiten können ebenfalls sehr unvorteilhaft sein (rutschiger Untergrund, beengte Räumlichkeiten, schlechte Lichtverhältnisse, etc.)
Jedoch gibt es auch Aspekte des Kampfsporttrainings, die unsere persönliche Sicherheit verbessern kann.
Zum einen ist das Kriterium der Fitness hervorzuheben. Kaum ein anderer Sport bringt einen in solch eine Spitzenverfassung (Kraft, Ausdauer, Koordination, etc.) wie Kampfsporttraining. Gleichzeitig wird im Training auch die Disziplin und Willenskraft gefördert. Kampfsport stärkt nachweislich das Selbstbewusstsein, was zu einer souveränen Ausstrahlung und einem sicheren Auftreten führt. Oftmals sorgt allein diese Ausstrahlung schon dafür, dass man gar nicht erst in eine Konfrontation gerät. Auch werden im Kampfsporttraining sog. "Nehmerqualitäten" entwickelt - d.h. man lernt auch im Partner-Kampf/ Sparring einzustecken und wird von groben Handgreiflichkeiten nicht überrascht sein (eher die Ruhe im Ernstfall bewahren). Darüberhinaus sind die Techniken an einem unkooperativen Trainingspartner oder Kontrahenten im Wettkampf erprobt. Viele Selbstverteidigungssysteme prahlen damit "tödliche" Techniken zu trainieren - diese können aber nur angedeutet trainiert werden und die tatsächliche Effektivität wurde nie und realistischem Widerstand getestet. Im Voll-Kontaktkampfsport jedoch ist ein Schlag, der zum Knockout führt, tatsächlich meist schon mehrmals durchgeführt worden.
Fazit:
Kampfsport und Selbstverteidigung sind zwei verschiedene Fertigkeiten, die sich in einigen Bereichen überlappen. Wenn man sich ausschließlich zum Zwecke der Eigensicherung mit einem System beschäftigen möchte, sollte man einen speziell dafür vorgesehenen Kurs zum Thema Selbstverteidigung besuchen. Dieses Selbstverteidigungssystem umfasst neben effektiven Kampftechniken noch weitere essenzielle Elemente für die eigene Sicherheit:
- Aufmerksamkeit Situationswahrnehmung
- rechtliche Grundlagen
- tieferes Verständnis von verschieden Gewaltdynamiken
- Deeskalationstechniken
Wenn man grundsätzlich noch andere Aspekte, wie die eigene Fitness und Charakterentwicklung im Blick hat, kann durchaus auch ein reines Kampfsporttraining die richtige Wahl sein.